Der Sturm

Da habe ich doch tatsächlich noch was altes ausgegraben…

Der Sturm

Vor nun beinahe zwei Tagen waren wir aus dem Hafen der Stadt Hamburg ausgelaufen, das Ziel war nur wage bekannt und sogar die wenigen unter der Besatzung die Genaueres wussten wollten nicht mehr als Andeutungen von sich geben.

Dies war meine erste große Fahrt, denn bisher beschränkten sich meine Reisen nur auf die Wege zwischen den Hafenstädten Deutschlands und Britanniens. Doch dieses Mal konnte es lange dauern, bis meine Augen wieder festes Land am Horizont erblicken würden, soviel war mir bewusst.

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Ein Tag am Meer – 8 Grad 30 Minuten Nord, 31 Grad 24 Minuten Ost

Es war noch einige Stunden vor Sonnenaufgang, doch ich wollte vor den anderen am Meer sein, um die Stille zu genießen und natürlich wollte ich den besten Platz für mein Handtuch ergattern. DA ich keine Lust hatte, die 15 km zu Fuß zu gehen, schnappte ich mir den Buggy, der vor der Tür parkte. Dass der Schlüssel steckte wunderte mich gar nicht. In dieser Gegend hier kam es nie zu Diebstählen und auch ich hatte natürlich die Erlaubnis, das Fahrzeug auszuleihen. Die Hotelleitung hatte es uns schließlich extra für diesen Zweck zur Verfügung gestellt! Das bisschen Gepäck passte locker hinter die Sitzbank.

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Intermezzo II

Intermezzo I

Zuerst mache ich mir noch die Mühe darauf zu achten, wo ich meine Füße hin stelle, doch je weiter ich auf dem Weg zurück gehe, desto unmöglicher wird es, einen Fleck zu finden, der nicht in Blut getränkt ist. Nach zehn Metern wird mir diese Scheiße zu blöd. Schließlich will ich hier nicht ewig rumlaufen!

Überraschenderweise ist Blut nicht rutschig. Die Gerinnungsstoffe bringen die Flüssigkeit sehr schnell zum Stocken und an einigen Stellen vor mir hat sich bereits eine dünne rotbraune Haut gespannt, die meine Schuhe ähnlich leicht durchdringen, wie ein Löffel das Milchhäutchen über dem heißen Kakao.

Zumindest ist mein Weg eindeutig. Ohne weiter darüber nachzudenken lenke ich meine Schritte durch die Tür an der Stirnseite des Ganges in dem ich mich schon die ganze Zeit befinde. Eine sonderbare Form von Brotkrumen, die mir da den Weg zurück weisen. Und noch etwas macht mir Sorgen: Das Messer in meiner Hand zuckt wie verrückt, während meine Finger gekonnt Licht und Schatten zerschneiden. Woher in drei Teufels Namen konnte ich so geschickt damit umgehen?

Intermezzo

„Was zum Teufel…!!!“ das laute Klirren von hartem geschmiedeten Metall auf dem Steinboden reißt mich aus der Dunkelheit. Ich stehe in einem breiten Gang. Warum stehe ich? Wo stehe ich? Mein Blick irrt auf der Suche nach Bekanntem durch die schattenreiche Flucht und bleibt an einem Gegenstand haften, der vor mir am Boden liegt. Ein Messer. Ein Messer mit einer langen, dünnen Klinge, viel zu fein, um in der Küche nützlich zu sein.

Von seinem Schaft weg führt eine dunkle Spur hinter mich, wie ein kleines Rinnsal. Mein Blick kann sich davon nicht lösen und so drehe ich mich langsam um. Je weiter ich diese Spur verfolge, desto breiter wird sie, doch erst als das erste Mal Licht auf sie trifft sehe ich, was mich durch den Gang verfolgt hat. Blut. Ein Bach, ein Fluss, ein ganzer See aus Blut folgt von irgendwo dort hinten meinen Schritten.

Erst jetzt betrachte ich erstmals meinen Körper und meine Hände, nur um mich im gleichen Moment auf die kalten Steine zu übergeben. Als sich mein Magen komplett entleert hat bemerke ich, dass sich meine linke Hand wie automatisch wieder um den Griff des Messers geschlossen hat. Es fühlt sich vertraut an, aber ich kann mich nicht erinnern wieso. Mit dem Ärmel des anderen Arms wische ich mir den Speichel von den Lippen, ehe ich mich wieder auf die Beine rapple.

Welches Geheimnis verbirgt sich hinter meinem Rücken? Es widerstrebt mir, meine Schritte in diese Richtung zu zwingen, aber eines ist klar, ohne die passenden Antworten würde ich nie erfahren, warum ich hier war und was passiert ist. Das Blut an meiner Waffe ist noch frisch genug, dass ich es an meinem Hosenbein abwischen kann. Irgendeine Kraft ging von dieser matten Scheide aus, denke ich noch, ehe ich mich auf den Weg zurück mache. Den Weg zurück durch den See aus Blut.

Die letzte Rettung

Die Menschheit vergeht an dem Tag,  an dem das letzte Wilde vergeht, daher tat ich das einzig Mögliche und gab mich dem Wahnsinn hin. In einer Zivilisation, die vom Ungeordneten zehrt, schien mir dies als letztes Opfer angemessen.

Kurt Tucholsky – Der Mensch

Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenns ihm gut geht, und eine, wenns ihm schlecht geht. Die letztere heißt Religion.

Der Mensch ist ein Wirbeltier und hat eine unsterbliche Seele, sowie auch ein Vaterland, damit er nicht zu übermütig wird.

Der Mensch wird auf natürlichem Wege hergestellt, doch empfindet er dies als unnatürlich und spricht nicht gern davon. Er wird gemacht, hingegen nicht gefragt, ob er auch gemacht werden wolle.

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Lotophagen

Die CT wollte sie mal wieder nicht, darum gibts jetzt was neues zu lesen. Viel Vergnügen!

Lotophagen

„Meine ersten Gedanken, als ich wieder aufwachte waren nur darauf ausgerichtet, die Ursache für diese unglaublichen Schmerzen zu finden und mit Gewalt abzustellen. Dann rappelte ich mich langsam wieder auf und nahm auf dem Spezialsessel platz, den ich nutzte, wenn ich mich länger im Netz rum trieb. Eigentlich hätte ich nicht aus dem Ding raus fallen dürfen, dazu gab es zu viele Sicherungen. Aber darum kümmerte ich mich in dem Moment nicht. Mein Kopf tat zu sehr weh. Weiterlesen

Wer will schon ewig leben

„Who wants to live forever?“

Drei Wochen war ich jeden Tag an ihm vorbei gegangen. Der Lack hatte unter dem andauernden Schnee und dem Salz der Straße stark an Glanz verloren, und das Schwarz drang nur noch matt durch die Wasserflecken. Die viel zu hohen Matschberge rings um die Räder zeigten deutlich, dass das Fahrzeug schon seit Beginn des Schneetreibens nicht mehr bewegt worden war. Ein weniger neugieriger Mensch als ich hätte diese Tatsachen wohl zur Kenntnis genommen und hätte sie wieder vergessen, doch mich reizte es herauszufinden, warum ein alter Leichenwagen einfach auf diesem halb legalen Stellplatz hinter dem Bahnhof abgestellt wird. Die wenigen Gegenstände, die auf den vorderen Sitzen und hinter der Frontscheibe zu sehen waren, ließen keinerlei Rückschlüsse auf den Verbleib des Besitzers zu. Dem allgemein schlechten Zustand des Wagens war aber zu entnehmen, dass er wohl nur noch privat benutzt wurde, was auf einen Menschen mit sehr makabrem Humor oder besonderen Vorlieben schließen ließ. Den Blick in den hinteren Teil des Wagens verdeckten mehrere vergilbte weiße Vorhänge. Schließlich erinnerte ich mich meiner Bürgerpflichten und beschloss, die Polizei auf dieses wild parkende Ungetüm aufmerksam zu machen; natürlich in der Hoffnung mehr über den Halter und den Inhalt des Kofferraums zu erfahren. Man versicherte mir, dass sich eine Streife darum kümmern werde, auf Fragen meinerseits, wann dies geschehen sollte, wollte mir der Beamte aber keine Auskunft geben.

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Blitzschlag

Wolken schoben sich in unzählbaren Schattierungen von azur und grau durch die Troposphäre.
Gewittergeruch lag in der Luft und die Natur war außer sich, aus Vorfreude auf den kommenden,
lang ersehnten Regen. Die Straßen lagen leer aber nicht einsam vor mir, die Gedanken in mir sagten:
„Alle Wege führen heut ins Ziel!”. Gerade wollte ich dort an der großen Kreuzung, Richtung Bahnhof
die Straße überqueren, bei Rot, weil kein Auto sein Recht auf Vorfahrt einfordern wollte, da zuckte
der erste Blitz am Himmel. Und gleich darauf der Zweite. So schnell flog ein Stakkato aus Licht und
Elektrizität über den Wolkenvorhang, dass der Donner keine Zeit fand gleichzuziehen.

Bewundernden Blicks querte ich die Fahrbahn, immer ein Auge gen Himmel. Von weit oben vernahm
ich nun ein zweites Geräusch, hell, frisch, heilsversprechend nahte der Regen. Riesenhaft tropfte und
troff das Nass aus den Wolken, der Boden war durstig nach all der Sonnenzeit und die Wetter-
götter zeigten Gnade. Es war, als hätten Thor und Odin das erste Mal seit Jahrtausenden ihr Schweigen
gebrochen. Kein normales Unwetter wurde dort oben geboren, nein, es war das Urwetter schlechthin,
das sich in den Höhen austobte. So winzig ich mich eigentlich hätte fühlen müssen, ob meiner
unbedeutenden Größe im Spiel der Mächte, so großartig fühlte ich mich, weil ich dem Spektakel zusehen
durfte. Ich allein. Kein Mensch sonst.

Doch was war das?! Neideten die Götter mir meine Zuschauerrolle etwa? Rechts von mir, in einen der
wenigen Bäume dieser Stadt schlug ein Blitz ein, der den alten grünenden Zeitgenossen in zwei
Hälften spaltete. Rauch und Flammen fraßen am Kadaver, doch der Regen tat sein bestes, um die
Wunden nicht zu groß werden zu lassen. Zack, ein weiterer Blitz, noch näher dieses Mal, noch gleißender
und heißer als zuvor. Angst machte sich breit in meinem Herzen.

Zeit zu gehen schrie es laut in mir. Eile! Zu spät. Ein flüstern nur, ein Satz der sich trotz all des Lärms in alles bohrte.

Von oben herab sah ich das Licht auf mich zu rasen. Konnte nicht ausweichen und wunderte mich
noch, wieso ich überhaupt etwas von all dem wahrnahm. Die Zeit selbst streckte sich und zerrte
an ihrem Netz, dünnte ihr Flussbett aus, damit ich darüber hinweg laufen konnte. Ganz langsam
kam der Lichtbogen herab. Direkt neben meinen Füßen schlug er ein, umringt von einem Reigen bunter
Regentropfen, die so groß waren, wie Goldfischgläser. Und darin schwammen allerlei bunte Fisch-
lein, in Neonfarben glänzend, lebendig und weit weniger statisch wie der Rest der Welt. Vorsichtig
umrundete ich die Stelle, an der der Strom den Boden durchschlagen hatte, sah zu wie ein feines
Gespinst aus Elektronen und ionisiertem Gas sich seitlich ausstreckte und nach mir leckte.

Als es mich berührte und umhüllte traf mich der Schlag von tausenden Ampere und riss meinen Leib
wieder in die Realität. Und in die Finsternis.

Das Tor – Verhör

„Guten Tag Herr Meyer!“ sagte ich jovial und deutete auf einen Tisch mit zwei Stühlen.

„Wollen wir uns setzen?“. Der Mann der im Zelteingang wartete nickte ruhig und wir traten beide an den Tisch. Langsam, fast in Zeitlupe nahm er Platz. Man konnte deutlich erkennen, wie sehr in seine lange Bettlägrigkeit zugesetzt hatte. Doch seine Augen machten einen wachen und aufmerksamen Eindruck.

„Sie wissen sicherlich, warum ich sie hierher bringen ließ. Wir haben seit diesem Zwischenfall keinerlei neue Erkenntnisse gewonnen, die uns erklären würden, was uns da überrollt hat und vor allem, was es mit ihnen gemacht hat.“

„Ich weiß, dass es wichtig ist, ihnen zu sagen woran ich mich erinnern kann, aber leider muss ich sie enttäuschen Kommandeur. In meinem Kopf ist ein riesiges schwarzes Loch. Und zwar genau an der Stelle, wo die Ereignisse liegen sollten, die sie interessieren.“

„Ja, die Medics haben bereits erwähnt, dass sie über partiellen Gedächtnisverlust klagen. Darum möchte ich mit ihrem Einverständnis einen Schritt weiter gehen.“ Seinen fragenden Blick und das Stirnrunzeln ignorierend winkte ich einer der Wachen zu, die daraufhin das Zelt verließ.

„Wie sie wissen gibt es gewisse Methoden, wie man verschüttete Erinnerungen wieder frei legen kann. Wenn sie nichts dagegen haben würde ich es gerne mit einem dieser Verfahren probieren.“