Einen Steinwurf weit

Während sich die Wolken über dem Nachthimmel treiben ließen, stand ich am Ufer des Sees, alles ist so schwarz, dass man gar nicht erraten

konnte, wo das Wasser aufhörte und der Himmel anfing, wie in einer anderen Realität. Doch das Gewicht in meiner Hand war ein vertrautes Gefühl, diese glatte, runde Oberfläche schaffte es, den Eindruck der Fremdheit aus meinen Gedanken zu verdrängen. Wie lange ich hier bereits stand konnte ich gar nicht mehr sagen, aber ich war bereits hier, als die Sonne in die stille Ruhe des Wassers tauchte und dabei die umliegenden Bäume und alles um mich herum in Flammen aus Rot und Orange hüllte. All das geschah in nur einem einzigen, verwirrten und kontextlosen Augenblick, herausgerissen aus dem normalen Lauf der Zeit und dann war alles Nacht.

Mein Geist war so ruhig als wollte er sich mit dem Wasser vor mir messen, das den Horizont vor mir spiegelte, kein Gedanke hinterließ darin Wellen, alle die Freuden und Sorgen lagen tief unten auf seinem Grund verborgen. Dann riss die Wolkendecke auf und Licht überschwemmte das Schwarz und teilte es in Schatten. Mond war gekommen!

Ohne einen Gedanken an ein Warum zu vergeuden drehte ich dieses Ding in meiner Hand, bis seine flache Seite genau den richtigen Winkel einnahm und warf es dann mit all meiner Kraft dem anderen Ufer entgegen. Ein kleiner Kiesel drehte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit seiner Bestimmung entgegen und streifte bereits zum ersten Mal die Wasseroberfläche. Genau in diesem Moment riss sich meine Seele aus dem Kerker meines Leibes und flog ihm hinterher, während die atmenden Reste meiner selbst weiter reglos an der gleichen Stelle verharrten. Eile war geboten, wollte ich mein Ziel nicht aus dem Blick verlieren, wollte ich die große Fahrt nicht verpassen.

„Spring auf!” feuerte ich mich an, „Spring auf, sonst tust es nie mehr!”.  Mehr fühlte ich das schwarze Glatt des kleinen Steins als dass ich es sah, doch wirkte was gerade eben noch so klein und unscheinbar nun doch sehr zielbewusst und stark. Er kennt sein Erbe, würde man von einem Menschen sagen!

„Pflitsch!”

„ Nimm mich Huckepack du kleines Stück Berg.” bat ich ihn. „ Du weißt wohin die Reise geht!”

„Pflitsch!”

War das die Antwort? Wenn ja, was sollte sie bedeuten? Solange er mich trug sollte das nicht meine Sorge sein.

Der Mond sonnte sich in seinem eigenen Licht, verwandelte das Wasser auf dem wir wanderten in sein eigenes Ebenbild und machte meine große Reise zu einer Mondfahrt. Ich schritt tapfer über Hügel und Täler, die kein Mensch zuvor jemals betreten hatte, noch jemals betreten wird. Vom Meer der Ruhe erzählen viele kluge Bücher, doch trau nur dem, das leere Seiten trägt, denn niemand fuhr bisher auf seinen Wellen, so dass das Meer der Ruhe keine Geschichten kennt.

„Pflitsch Pflatsch!”

Die Sicht ließ langsam nach, die Wolken scharten sich mit neu gewonnenem Mut und drängten das Mondlicht zurück, meine Reise neigte sich dem Ende, wer je einen Kiesel übers Wasser trieb, der weiß, das das Ziel stets unter der Oberfläche liegt und jeder neue Drang entgegen nur Aufschub vor dem Unausweichlichen bedeutet.

„Plop!”

Langsam öffne ich meine Augen, der nahe Sonnenaufgang fordert die Welt auf, sich weiter zu drehen. Stehen bleiben, Pause machen passen nicht in dieses Konzept!

Überrascht fühle ich etwas kleines, kaltes meiner Hand entweichen und mit einem „Klick” kehrt ein kleines flaches Steinchen wieder zu seiner Familie zurück.

Auf Wiedersehen Steinchen, wir sehen uns am Ziel!

Nur einen Schluck

Die Welt liegt vor mir wie ein toter Brocken Stein.

Am Himmel reihen dunkle Wolken sich  empor,

um Sonne Mond und Stern daran zu hindern

Licht in dieses Schattenreich zu tragen.

Man muss kein Seher sein, um zu erkennen,

dass etwas hier nicht stimmt.

Der Staub knirscht dissonant bei allen Schritten,

als wollt er nicht, dass man es wagt, sich auf ihm auszuruh’n.

Gefahrenherden ziehn an mir vorbei, irren verloren, blind

und ohne Unterlass, um auch das letzte ganze Ding auf Erden

mit ihren Hufen zu zermalmen, dass es dem braunen Dreck des Bodens gleicht.

Das Land ist Krieg, die ganze Welt krankt schon daran, wie Fieber schwelt’s.

Gewöhnt man sich an Leid, dann kann man nicht mehr ohne,

man fühlt sich nackt, so ohne Dreck und Narben.

Durstige Kehle gibt der Stimme erst vertrauten Klang,

denn klare Stimmen fallen auf, wenn jeder krächzt.

Bombt, Tötet, Meuchelt, Mordet weiter, zeigts euren Kindern,

sonst seid ihre gescheitert.

Macht es ihnen vor, lebt euren Traum.

Eine bessere Welt als diese wird es auch morgen nicht mehr geben, dafür ist gesorgt.

Trinkt nicht, ein Schluck schon ist wie Gift für eure Seelen, denn das Getränk heisst Frieden.

DOCH!

TRINKT!

Trinkt einen Schluck, dann könnt ihr vor dem Staub in dem wir alle einmal enden noch einmal, erstmals euer wahres Ich  erkennen.

Trinkt, und verschüttet nichts, es ist der einzige, der letzte Schluck.