Die Insel des Glücks

Am Ende des Regenbogens, dort wo er sich mit dem Horizont vereint, liegt eine Insel aus Licht, darin eingebettet ruht das ganze Glück des Lebens, bewacht von silbernen Statuen mit Schwert und Lanze. Tausende Kriege wurden ihretwegen geführt, die Menschen wollten das Glück in ihrer Eigennützigkeit nicht teilen, obwohl ein einzelner Mensch daran verrückt werden konnte!

Darum versteckten die Götter dieses Eiland der Herrlichkeit und, um nicht selbst in Versuchung zu geraten vergaßen sie wo es lag. Abenteuerer aller Art und jeden Standes machten sich auf, in kleinen Segelschiffen, großen Dampfern, unter Wasser in mattschwarzen Zigarren aus Metall, keinem von ihnen war es gelungen sein Ziel zu finden. Je hartnäckiger sich dieser Schatz seiner Entdeckung widersetzte desto verrückter wurden die Suchenden. Sie schreckten irgendwann nicht einmal mehr davor zurück sich gegenseitig nachzustellen, sich gar zu töten!

Je grausamer sie ihre Suche durchführten, desto unklarer wurde ihnen ihr Ziel, bis sie es schliesslich ganz aus den Augen verloren. Doch auf ihrem Weg hatten sie die ganze Welt verwüstet mit ihrem Hass und Neid, die ganze Welt bis auf diesen einen kleinen Flecken Sand inmitten blauen Ozeans. An diesem Ort konnte man keinen Horizont sehen, denn dort wo sich Meer und Himmel trafen, wurde die Gischt zu Wolken und schloß so alles in einer großen blauen Kuppel ein. Ob es noch eine Rolle spielt weiß ich nicht, aber das erste was ich erblickte als ich an diesem blendend weissen Strand erwachte und das Salzwasser in meinem aufgeschürften Körper brennen fühlte war ein kleiner zierlicher Körper bedeckt von endlos langen schwarzen Haaren. Langsam erhob ich mich, noch immer etwas benommen, wankte unbeholfen zu der Stelle und zog die unbekannte Frau weiter an den Strand. Während sie noch in Orpheus Armen lag betrachtete ich ihr Gesicht und fühlte mich das erste Mal seit langem frei und glücklich. Es war, als hätten sich alle Erwartungen meines einsamen Lebens in einem einzigen Augenblick erfüllt und als sie nach Einbruch der Dämmerung ihre Augen öffnete war ich dem Wahnsinn so nah, das ich weinte wie ein kleines Kind. Sie sprach kein Wort sondern nahm mich nur sanft in den Arm, bis wir beide friedlich einschliefen.
Wenn ich eines gelernt habe in den letzten Jahren, hier auf unserer kleinen Insel, dann, dass das Glück ein zerbrechliches Wesen hat, packt man es zu fest rieselt es aus der Hand, wie feinster Sand und verschwindet im Wind, öffnet man aber seine Hand, so nimmt es darauf Platz wie ein kleiner Schmetterling.

Man kann nie sagen, wann es einen wieder verlässt, aber die Momente in denen es in dir ruht sind die unvergesslichsten des gesamten Lebens.

Ich fand es auf diesem Eiland inmitten des Nirgendwo, weit entfernt von allem was war, und je sein wird. Mein Glück lag im Nichts, das ich mit dir teilte und noch heute teile. Es war nicht der Ort der zählte, sondern nur das ich es zugelassen habe.

Mein Garten

Hand in Hand führ ich dich

durch meinen Garten der Gefühle,

bis heut war es noch niemandem

erlaubt in meinem Heiligsten zu wühlen.

Dir geb ich sogar das Werkzeug in die Hand

mit dem die Beete sich bestellen lassen,

zeig dir den Ort, an dem die Liebe in mir wächst,

an dessen Rändern hat sich sehr viel Unkraut festgesetzt.

Du bist die Gärtnerin in meinem Hain,

nur durch dein Wirken finde ich Sinn in mein Leben.

Will diesen Sinn an Andere weitergeben.

So blüh ich auf bei deiner Hände Werk,

Pflanz hier dein Herz, ganz nah an meines hin,

damit ich dir noch tausend Jahre nahe bin.

Schicksalsberg

Ich bin der Berg,

der euch in eure Schranken weisst,

die letzte Grenze,

die ihr überschreiten könnt

und doch nicht traut,

weil euch die Furcht vor meiner Glut

bei jedem Schritt in den Gedanken brennt.


Seit Anbeginn der Menschheit hersch ich schon

und werd auch ihren Untergang erleben,

wenn ich nicht gar ihr Schicksal selbst besiegel,

ganz ohne Grund, allein weil ich es kann.


Wenn dann die Erde bebt und Donner grollt

dann grabt sie aus, die alten Götter,

sie werden euch nicht schützen.

Denn tote Götter halten keinen Felsen,

der von Hängen rollt.


Hört auf zu Jammern und zu stöhnen,

der Staub verschliesst auch noch die letzte Lunge

das letzte Wort hab ich, ich brauche keine Zunge.

Hinterhof

Langsame, bedächtige Schritte tragen mich voran. Schatten wandern gemächlich an mir vorbei,

manche von ihrer eigenen Idee beseelt, die Welt zu ändern.

Während ich diesem Gedanken nachhänge, ändert sich meine Umgebung.

Scheinbar war ich an irgendeiner Stelle von der Hauptstraße abgebogen.

Als ich mir meines Standorts wieder bewusst werde, stehe ich in mitten eines weitläufigen Hinterhofs.

Abgesehen von einem unübersehbaren Müllproblem, bemerkt man auch einen eigentümlich hartnäckigen

Geruch.

Meine Erinnerung setzt mich sofort an einen Ort zurück, den ich in meiner Kindheit sehr häufig besucht habe, einen Schlachthof.

Unter meinen geschlossenen Lidern malt sich mir die damalige Situation ganz deutlich aus.

Mehrere große und kleine Container; über allem eine kohärente schwarze Masse aus sich windenden Insekten,

meist Fliegen, die die schillerndsten Töne von blau und violett auf ihre Chitinpanzer zaubern.

Ein Auge unter der schwarzen Masse. Dann ein Kopf. Ferkel, drei an der Zahl. Als ich meine Augen wieder öffne, dreht sich alles. Nur langsam übernimmt mein Gleichgewicht wieder seine Aufgabe.

Meine nächsten Schritte tragen mich noch weiter in den Hinterhof hinein. Von meiner Position aus bleibt mein

Rückweg vor mir verborgen, trotzdem erfasst mich keinerlei Panik. Ruhigen Schrittes marschiere ich weiter.

Tief in den Schatten regen sich Gedanken. Sie beunruhigen mich weniger wegen ihrer offensichtlichen Aggressivität, sondern vielmehr wegen ihrer körperlichen Präsenz.

Jetzt nicht kehrt zu machen kostet sehr viel Selbstbeherrschung.

Weiter.

Das Ziel meiner Reise ist erreicht. Ein leises Schluchzen erregt meine Aufmerksamkeit. Ängstliche Gedanken

Fluten auf mich ein, suchen Trost. Unter einer großen Plane liegt der getretene und geschundene Leib eines kleinen Kindes. Sein Name ist Phantasie. Langsam niederkniend, beuge ich mich zu ihm und versuche es zu trösten. Große verweinte Augen blicken mich an, spiegeln mein Gesicht.

Das Schluchzen verklingt. Als ich es hochhebe, legt das Kind seine dünnen Arme um meinen Hals und schmiegt sich an mich. Während ich mich auf den Rückweg mache, suchen meine Gedanken mich heim. Woher nimmt das kleine Wesen in meinen Armen bloß sein Vertrauen? Es kennt mich nicht. Und dennoch.

Noch bevor ich den Hinterhof verlassen, habe schläft mein Schützling.

Ich selbst bin überrascht, als ich merke, dass eine Träne über meine Wange rinnt.

Die Antwort liegt da, breit getreten auf dem Bürgersteig.

Das Kind vertraute mir einfach deshalb, weil ich da war, weil ich half.

Das Geheimnis der Vaterschaft offenbarte sich mir.

Aber das wird mir erst viel später bewusst werden.

Ich bin zurück auf der Hauptstraße. Die Masse bedrängt mich.

Fast wäre ich wieder in den Hinterhof zurückgewichen. Doch ich hatte jetzt Verantwortung.

Wir sind die Eltern unserer Ideen und Phantasien und müssen sie beschützen.

Alles andere wäre ein Verrat an sich selbst.