Wer will schon ewig leben

„Who wants to live forever?“

Drei Wochen war ich jeden Tag an ihm vorbei gegangen. Der Lack hatte unter dem andauernden Schnee und dem Salz der Straße stark an Glanz verloren, und das Schwarz drang nur noch matt durch die Wasserflecken. Die viel zu hohen Matschberge rings um die Räder zeigten deutlich, dass das Fahrzeug schon seit Beginn des Schneetreibens nicht mehr bewegt worden war. Ein weniger neugieriger Mensch als ich hätte diese Tatsachen wohl zur Kenntnis genommen und hätte sie wieder vergessen, doch mich reizte es herauszufinden, warum ein alter Leichenwagen einfach auf diesem halb legalen Stellplatz hinter dem Bahnhof abgestellt wird. Die wenigen Gegenstände, die auf den vorderen Sitzen und hinter der Frontscheibe zu sehen waren, ließen keinerlei Rückschlüsse auf den Verbleib des Besitzers zu. Dem allgemein schlechten Zustand des Wagens war aber zu entnehmen, dass er wohl nur noch privat benutzt wurde, was auf einen Menschen mit sehr makabrem Humor oder besonderen Vorlieben schließen ließ. Den Blick in den hinteren Teil des Wagens verdeckten mehrere vergilbte weiße Vorhänge. Schließlich erinnerte ich mich meiner Bürgerpflichten und beschloss, die Polizei auf dieses wild parkende Ungetüm aufmerksam zu machen; natürlich in der Hoffnung mehr über den Halter und den Inhalt des Kofferraums zu erfahren. Man versicherte mir, dass sich eine Streife darum kümmern werde, auf Fragen meinerseits, wann dies geschehen sollte, wollte mir der Beamte aber keine Auskunft geben.

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Nachtwanderung

Ich liebe es durch die dunklen Straßen der Stadt zu wandern,
wenn die Geräusche der Zivilisation soweit herabgedimmt sind,
dass sie nur ein wohliges Gefühl von Heimat hinterlassen.
Im Halbdunkel der Straßenlaternen liegt die Welt so friedlich vor
mir, wie in einem Traum, keine Forderung lautert mir auf, keine
Vorstellungen drücken mich auf den Asphalt.
Fast möchte ich meine Arme ausbreiten und zu den Sternen fliegen,
die mich auf  meinen Weg durch die Nacht begleiten.
Wenn mir mein Ziel nicht schon klar wäre, ich würde ewig laufen,
auf der Flucht vor dem Morgengrauen.