Yes they can

„Als ich die Augen öffnete blendete mich das weiß gerader und spitzwinkliger Flächen.  Selbst beim Blick steil gen Himmel verlor die Landschaft nichts von ihrer Gleichförmigkeit. Alles rund um mich herum glänzte mit derselben Intensität und raubte mir jede Möglichkeit der Orientierung. Bis auf das stetige Rauschen des Windes in das sich immer wieder das Flüstern unbekannter Stimmen einschlich, konnte ich nicht das Geringste hören. Und das Einzige was ich fühlte war Kälte.
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Ahab der Schäfer

Das Rauschen der Halme in seinem Ohr deutete ihm schon vor dem Öffnen seiner Augen an, dass raues Wetter herrschte. Aber das war keine echte Überraschung. Bereits als er kurz vor Sonnenaufgang das Ruder an die letzte Nachtwache übergeben hatte, war der Himmel tief verhangen und der Wind trieb die Wolken über das dunkle blau-grau wie ein verwirrter Schäferhund.

An Deck herrschte dieselbe aufgeregte Stimmung, wie jeden Morgen. Zwischen den Schichten entwickelten sich die kurzen routinierten Gespräche, wie sie immer zwischen Männern entstanden, die sich nach einer warmen Mahlzeit und einer Mütze Schlaf sehnten. Das Leben an Bord eines Grasklippers  war hart, aber das Leben an Bord der Schilfblatt zählte zum Härtesten, was ein Seefahrer auf sich nehmen konnte, denn die Schilfblatt war ein Schaffänger!

Hier draußen, zwischen den Kontinenten in den Untiefen des Rieds wuchsen die Biester mit unglaublicher Geschwindigkeit und die Könige von Nord- und Südland hatten in den frühen Jahren der interkontinentalen Schilffahrt viele Handelsschiffe in Ässpalten verloren. Denn Schafe wachsen ständig! Je länger sie fressen, desto mächtiger werden ihre Körper. Ein hundertjähriger Widder konnte einen Kanal in das Ried äsen, der zwei Koggen in voller Länge verschluckt.
Wuchsen diese Spalten wieder zu, trieben oft die größeren Stücke der am Grund zerborstenen Schiffe wieder nach oben und rissen gefährliche Löcher in die Rümpfe derer, die nicht mit der nötigen Sorgfalt navigierten.

Um dieser Bedrohung Herr zu werden, hatten beide Königreiche ein Abkommen geschlossen. Sie rüsteten Fregatten um, die dazu dienen sollten Jagd auf die Schafgiganten zu machen und sie in große umzäunte Weiden zu treiben oder zu töten falls dies misslang.

Die Schilfblatt war das beste und berüchtigtste Schiff dieser Flotte. Ihr Kapitän war ein bärbeißiger alter Seemann, der nur noch ein einziges Bein besaß. Das andere endete auf Höhe des Knies in einem polierten Stück Eichenholz; Ahab der Schäfer. Seine Geschichte war inzwischen zu einem Mythos geworden und der Mann zu einer Legende.

An Land erzählten Mütter ihren Kindern, wie Ahab der Schäfer sein Bein verlor, weil er nicht dem Willen der Eltern gehorchte. In der Flotte sprach niemand seinen Namen laut aus, weil er sämtliche Menschen in Hörweite zum Schweigen und Lauschen brachte.
Tatsächlich hatte er sein Bein an seine Obsession verloren und konnte von Glück sagen, dass er nicht auch noch sein Leben eingebüßt hatte.

Vor vielen Jahren, Ahab war schon damals ein ausgezeichneter Schäfer, war er dem vermutlich größten Schaf begegnet, das zwischen den Kontinenten je gesichtet worden war. Es hatte bereits mehrere Inseln von der Versorgung durch die Handelsschiffe abgeschnitten, als die Schilfblatt endlich auf seine Ässpur traf. Sie verfolgten das Schaf tagelang und erst an einem stürmischen Morgen holten sie es tatsächlich ein. Ahab hatte sämtliche Segel gesetzt und der Schilfblatt so zu neuen Geschwindigkeitsrekorden verholfen ohne Rücksicht auf die knarrenden Masten und das Ächzen im Rumpf.

Normalerweise läuft die Jagd auf ein Schaf so ab, dass ein Schäfer das Tier mit seinem Schiff so lange umkreist, bis dem Tier schwindlig wird und es stehen bleibt. In diesem Fall hätte jedoch eine einzige Umrundung des Schafs mehrere Stunden gedauert! Auf diese Art war ihm also nicht beizukommen. Daher befahl Ahab die Boote zu Wasser.

Er wollte das Schaf harpunieren. Dabei platzierte man mehrere Wollanker an einer Seite am Kopf des Schafs und vertäut es dann am Schiff. Das Manöver erforderte kräftige Nerven und Arme und war eines der gefährlichsten, das man als Schäfer durchführen konnte.

Schon beim Anlanden an das Schaf war alles schief gegangen. Der schwere Seegrasgang hatte eines der Beiboote erfasst und mit voller Wucht gegen die Flanke des Riesenschafs gedrückt. Das Holz zerbarst durch die enorme Belastung und 10 Männer stürzten ins Ried. Ihre Hilfe- und Todesschreie riss ihnen der Sturm von den Lippen und erreichte nie ein menschliches Ohr. Nur das Schaf drehte seinen Kopf und zeigte mächtige Hörner! Sie waren auf einem Widder gestrandet! Doch Ahab wollte nicht von seinem Vorhaben abrücken. Mit der verbliebenen Mannschaft erklomm er den Kopf des Giganten und platzierte die Haken. Dabei geriet er jedoch ins Rutschen, da der Boden durch Regen und Schafsschweiß extrem glitschig wurde.

Er rutschte hinab bis über die Nüstern, hing ein paar Sekunden  an einem dicken Strang Wolle, ehe die Kraft ihn verließ und er nach unten stürzte.  Zu seinem Glück und Unglück äßte das Tier weiter und er blieb in einem großen Haufen Riedgras hängen, doch die Halme und Blätter waren scharf wie Rasiermesser und trennten ihn so von seinem Bein. Irgendwie gelang es ihm wieder auf das verbliebene Beiboot zu kriechen und in einem Moment zwischen Wahn und naher Ohnmacht verfluchte er den Widder und schwor ihm tödliche Rache.
„Du wirst sterben Mobbel Dick! DU WIRST STERBEN! So wahr ich hier stehe.”, schrie er in den Sturm und verlor dann das Bewusstsein.

Jetzt stand er wieder an Deck dieses legendären Schiffs. Die Vergangenheit hatte sich tief in das sonnengegerbte Gesicht geschrieben. Und sein Weg lag klar vor seinem inneren Auge.

Banküberfall

„Also noch einmal von vorne: Der Mann kam in die Schalterhalle….und dann?!“

„Herr Kommissar. Das hatten wir doch schon alles. Ich weiß ja selbst, dass diese ganze Geschichte total unglaublich ist, aber auch wenn sie mich noch hundert Mal bitten, die Tatsachen bleiben die Selben.“

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Der Fischer

Draußen vor dem verhangenen Fenster bricht sich der erste Sonnenstrahl des Tags an der Kante der Welt. Die Luft ist voll von den Gewürzen des Meeres und mehr. Dieses Mehr bist du mein geliebtes Weib.  Noch liegst du hier in meinen Armen, das Haar so schwarz wie der Nachthimmel. Du duftest nach Liebe, nach Geborgenheit und Treue. Und das, wo doch ein jeder weiß, dass Menschen die das Meer bereisen niemals treu sein können.  Sie müssen ihre Liebe teilen, mit dem Menschen der ihnen wichtig ist und mit den Wellen, der Gischt, dem Wind, der die Segel füllt. Mit der guten Strömung.

Schon oft hörte ich von anderen. Männern, die ebenfalls glücklich waren. Verliebt. Aber ihre Frauen konnten sie irgendwann nicht mehr teilen. Sie wollten Herz und Gedanken ihrer Geliebten für sich allein besitzen. Doch kann man das Meer nicht aus dem Mann leeren. Bei dem Versuch allein scheitert man und dann bricht ein Herz, während das andere trocken wird und verdorrt.  Schon viele Männer sah ich und nicht wenige hofften ihre Leiber mit Rum neu zu füllen.

Woran so viele scheiterten, dir gelingt es. Du balancierst auf der Gezeitengrenze wie eine Artistin und respektierst, dass ich ein Mann bin, der das Meer liebt. Ich könnte nicht weiter zur See fahren, würde ich sie hassen.

Meine Liebe zu ihr ist so lebensnotwendig wie die Liebe die ich für dich empfinde. Aber wie wollte man Liebe messen? Gibt es ein Maß für sie? Für ihre Länge vielleicht? Dann reicht sie von einem Sonnenaufgang bis zum nächsten. Oder misst man ihr Volumen? Ich habe nicht mehr davon, als in mein Herz passen will, aber es wächst von Tag zu Nacht beständig an, ohne je alles davon zu erfassen. Hat Liebe ein Gewicht? Dann sei sie meines Schiffes Kiel und Schwert, mein Garant für sichere Fahrt und Rückkehr.

Meine Liebe zu dir ist wie Ebbe und Flut. Kann ich sie auch nicht immer mit dir teilen, so ist sie beständig bis in alle Ewigkeit.

Und ich weiß, dass du nicht anders für mich empfindest. Ich sehe es daran, wie du die Netze flickst und jeden Knoten zwei Mal prüfst und Proviant für lange Fahrten doppelt in Ölpapier verpackst. Damit außer dir mir an nichts fehlt. Und an den langen sehnsuchtsvollen Blicken der mich weg schickt, aber sichere Rückkehr heißt ohne zu befehlen.
Ich habe deinen Kuss zum Abschied nicht vergessen, der so wundervoll süß und salzig und nach einem frühen Morgen wie diesem schmeckt. Einem neuen Abschiedsmorgen, dem noch viele folgen sollen.

Hörst du? Die Möwen sind nun auch erwacht und deine Augenlider flackern schon. Vor meinem Abschiedskuss hol ich mir nun noch viele andere, die willkommen heißen an diesem schönen neuen Tag an deiner Seite. Weil du mein Weib bist, so wie ich dein Mann.

Einflugschneise

„Ruhige WHG, 4 Zimmer, im Nürnberger Norden (Johannis) ggü. Hesperidengärten; 350 Euro inkl. NK, ab April zu vermieten” hieß es damals in dem Inserat. „Traumwohnung” dachte ich. „Schnäppchen” schrieb ich mit Textmarker daneben.

Die Besichtigung ließ mir die Augen überlaufen. 75 m², perfekt gepflegtes Parkett und traumhaft große Fenster! Es war klar, dass ich da nicht mehr nein sagen konnte, die Versuchung war einfach zu groß.  Der Einzug verlief perfekt. Kein Helfer fiel aus, nichts ging zu Bruch und alle Arbeiten waren in Rekordzeit abgeschlossen.

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Der Geologe

Oder: Wie ich mich in die Eiskönigin verliebte

Wo begann das alles?! Gerne würde ich Ihnen ein romantisches Bild skizzieren; Ich, geboren zwischen Stalagmiten und Stalagtiten, kalkmilchgesäugt. Doch so banal kitschig war mein Lebensmorgen nicht.

Mein erster Kontakt zum Gestein, damals nannte ich es noch unwissend Dreck, fand wie bei vielen Jungen auf dem Schulhof statt. Dort machten es sich die Oberklässler jedes Jahrgangs zur ureigensten Aufgabe, den Schülern der ersten Klasse die Rangordnung in der großen Pause beizubringen. Wie so oft in der Geschichte der Menschheit nutzen sie dabei das Mittel des Exempels, um der übrigen Mannschaft Neueingeschulter das Wort Metapher zu ersparen. Exempel kannten wir alle, der Krieg war schließlich erst ein paar Monate vorüber.

Körperlich in früher Kindheit eher schwächlich statuiert, prädestinierte mich der Mangel an Körperkraft als Opfer jedweden Zweckes. Bis zum Alter von 14 Jahren war es bevorzugt ich, der Prügel kassierte oder den Schmutz aus den Regenpfützen rund um das Schulhaus soff. War dies der Ausbildung eines gesunden Selbstbildes eher abträglich, so hatte es dennoch eine überaus positive Wirkung auf mein Immunsystem. Das rege Tauchen im kalten Wasser und die Hyposensibilisierung gegen allerlei Getier ließen mich zu einem ungewöhnlich gesunden jungen Mann heranwachsen. So um das Jahr 1949 herum rollte das Tuberkel durch unsere kleine Stadt, so wie es der Ami und vor ihm der Russe getan hatte. Viele an unserer Schule fielen ihm zum Opfer und jene, die überlebten, litten ihr übriges Leben unter den Folgen. Im Rückblick kann ich nicht anders, als eben diesen unfreiwilligen Kneippkuren aus meiner Kindheit eine heilende Wirkung zuzuschreiben.

Als Anekdote dieser frühen Nachkriegszeit möchte ich noch bemerken, dass der letzte Hitlerjunge, der sich immer noch als Arier sah, ebenfalls dahingerafft wurde. So viel zur damals proklamierten Überlegenheit dieser ach so überforderten Rasse. Was musste sie nicht alles auf sich vereinen.

Doch ich schweife ab!

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Aus der Bahn!

„Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff”
„Aus der Bahn! Aus der Bahn!”, schreit es gellend aus tausend Kindermündern. Wie Möwen schreien sie, in allen Oktaven, unterstützt von Vätern und zögerlicher von Müttern fordern sie das Recht auf freie Fahrt. Das Meer, das sie bevölkern ist weiß. Weich wo es Schnee ist, hart wo der Schnee den Gesetzen der Physik und dem Aggregatszustand weichen, frieren musste. Sie schreien in einem Hunger nach Spaß, unstillbar bis die Müdigkeit ihre Körper an die Schlitten klebt und Väter und Mütter ein Bündel aus verklebten Augen, blauen Fingern und klebrigem Matsch nach Hause karren.

„Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff”
„In die Bahn! In die Bahn!”, höre ich sie rufen, Koffer hinter sich her zerrend, wie unwillige Straßenköter, die nicht wissen wie ihnen geschieht. Von hier hin nach dort hin eilen sie. Manchen sieht man an, wie gering ihre Chancen sind, ihr Blick hetzt zwischen Ziel und Bremsklotz: Familie, Kinder, Koffer, Kinderwagen, Reisende auf dem Weg, die im Weg sind. Dazwischen immer ein Blinzeln zur Uhr. Sie halten an sich, um nicht wütend alle niederzuschreien, aber sie halten nicht an. Wären sie glücklicher, wenn sie ihr Scheitern erkennen könnten? Es Umarmen? Statt zu hetzen, als würden sie ein Leben verpassen? Es ist nur ein Zug und keine Entscheidung. Züge kann man täglich fällen.

„Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff”
„Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff”, schnauft der Waggon neben mir erleichtert. Er ist angekommen. 280 km/h schnell nahm er die Strecke bis hier her. Nun durfte er verschnaufen. „Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff”, schnaufte er Bestätigung und Tadel. Was denkst du, will er mir sagen, wer wird in 10 Minuten wieder die gleiche Strecke zurück nehmen? Und du glaubst du hättest Stress? Du glaubst dein Leben sei eine Einbahnstraße? Ein Weg ohne Zurück?
Hätte ich die Wahl, flüstert er entrüstet, denkst du nicht, ich wäre gern mal auf weniger ausgetretenen Pfaden unterwegs? Mein Weg ist schon so oft gegangen, dass sie ihn aufschütten mussten. Und meine Schritte sind so schwer, dass ich Kilometerweise Stahl unter ihnen fühlen muss. Und mein Onkel, der hat mal versucht auszubrechen. Fand niemand schön! Nennst du das etwa ein Leben? Dieses Hin und zurück!?

„Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff”
„Nein, du musst es anders machen.”, sage ich und nehme deine Finger in meine Hände. „Guck. Hier und da muss du den Daumen und die Daumenballen fest zusammen drücken. Erst unten, dann kannst du die Spannung besser kontrollieren.” Mit deinen kleinen Händen ginge das viel einfacher, fiel mir auf. Meine sind groß und stark, stark genug um einen geliebten Menschen zu halten, ihm Halt zu geben, ihn auch aufzuhalten. Aber für so filigrane Dinge wie Grashalme waren sie inzwischen fast zu klobig. Deine Uhrmacherfingerchen waren dafür eindeutig prädestiniert. Aber dir fehlte die Erfahrung. Erfahrung macht dicke Finger gelenkig. Erfahrung sorgt dafür, dass wir über manches nicht mehr nachdenken. Unsere großen Finger zum Beispiel. Und unser Leben. Aber manchmal konfrontiert uns dieses auch mit etwas neuem. Menschen mit kleinen Händen, die mal nur eine Idee waren in den Köpfen von Menschen mit großen Händen. Und dann fällt uns wieder ein, wie man Grashalme halten muss, damit sie quietschen, wenn man auf sie bläst.

Orang Utan auf Borneo

Mein erster und vielleicht letzter Twittertext 😉

Das Heißwasser in der Steigleitung klingt nach Niagara und weckt Gedanken an Borneo.
Irgendwie hat es die Wasserpumpenzange in meine Hand geschafft.
Borneo, hör ich es hinter meiner Stirn hallen. Borneo, immer wieder Borneo!
In Borneo dampft es, denke ich. Da dampft es, weil es so warm ist. Im Dschungel, nach dem Regen, während des Regens. Es dampft in Borneo!
Und die Affen, die wissen das Borneo ne Insel ist. Die tanzen da. Auf Borneo. Im Dampf. Weil es da keine Tiger gibt. Wasserscheues Pack!
Auf Sumatra gibt es Tiger. Da haben die Affen das Tanzen verlernt. Das ändert sich, wenn die Tiger fliegen lernen.
Die Wasserpumpenzange, was wollte ich noch mal mit der Wasserpumpenzange? Wie bin ich jetzt so schnell von Sumatra hier her gekommen?
Ich habe schon Fotos gesehen, von Pavianen in heißen Quellen. Mitten im Winter. Und wieder dampfte es. Warum ist es nur so kalt auf Borneo?
Stufe 2 war Niagara, Stufe 5 gleicht dem Geräusch des Atlantiks, wenn jemand den geheimen Stöpsel zieht. Soll schon passiert sein. Gluuuuck.
Auf Borneo nennt man das mild. Aber mehr gibt die Heizung eben nicht her. Keine Affenhitze hier. Das muss besser gehen!
Wie ein Ahne erkunde ich die Möglichkeiten eines neuen unvertrauten Werkzeugs. Draufschlagen funktionierte schon nach 2 Sekunden. Erfolg = 0
Ich beneide die Orang Utans, sowohl auf Borneo, als auch Sumatra. Trotz der Tiger, die ihnen das Fell über die Ohren ziehen könnten. Fell.
Felle sind warm. Aber sie können einem davon schwimmen, v.a. wenn man natürlicherseits nicht dauerhaft mit ihnen ausgestattet wurde!
Ob Orang Utans jemals Felle davon geschwommen sind ist wissenschaftlich nicht belegt. Anders sehen es da die Tiger auf Sumatra.
In meiner Verzweiflung habe ich das Fenster geöffnet, um den Thermostat im Heizungsgriff das letzte Quentchen Öffnung rauszubetteln. Kalt!
130 Grad. Bei 130 Grad ist Dampf überhitzt. Da ich das weiß, bin ich nicht zufrieden. Meine Fertigkeiten mit der Zange nehmen rapide zu.
Ich liebe diesen Heizkörper. Es ist eine heizkörperliche Liebe. Trotzdem! Verliere ich mein Gehör oder schließt das Ventil? Kein Rauschen!
Wenn ich die Backen hier und … Linksgewinde finden häufig dort Verwendung, wo Menschen Dinge nach rechts drehen. Man lernt!
Auf! Auf und Au. Viel! Mit Überraschung gepaart schmerzt es aber nur kurz. Ist das schon Masochismus? Die Fenster beschlagen nur noch innen.
Überhitzter Dampf war es. 10 km Leitungsweg nehmen ihm aber ganz schön den Wind aus den Segeln. Kleine Papierdampfer treiben im Zimmer.
An den Stellen,die noch keine Blasen werfen fühle ich mich warm. Wärmer. Ohne Not sollte man sein Hinterteil so etwas nicht Preis geben.
Es ist immer das interessant, was man nicht hat. Viel zu spät erinnere ich mich an das Linksgewinde. Und die Nachbarn erinnern sich an mich.
Der Abend endet spät. Mit verbrannten Fingern und einer Idee von Orang Utans die mit rotärschigen Pavianen Mambo tanzen. Morgen zieh ich aus.

Seelenkuchen

Ich weiß es nicht, stelle aber immer wieder die Behauptung auf, dass Sie gerne backt, tut Sie es doch mit einer Leidenschaft, um die ich Sie beneide. Vielleicht sind es die Zutaten, oder die Art, wie Sie sie vermischt. Denn jeder Ihrer Kuchen schmeckt anders. Es sind eigentlich Kunstwerke, denke ich. Gemacht für einen Augenblick mit Sahne oben drauf. Und einer Tasse Kaffee.

Immer wenn Sie backt, dann gleiten ihre Gedanken an einen Ort, den Sie nicht mit mir teilen kann. Dort toben Gefühle, wie Wirbelstürme und manchmal strahlt die Sonne dort, als müsse sie sich keine Sorgen machen, dass diese Welt jemals verdursten könnte. Wahrscheinlich liegt dort das Geheimnis ihrer Backkunst. Gewürze die in so außergewöhnlichem Klima gedeihen müssen einfach exquisit schmecken. Ohne es zu ahnen würzt sie ihre Kreationen damit. Manchmal lächelt Sie so voller Glück, dass der Teig vor ihr ohne Hefe aufgeht und Ihre Crème brûlée würde dann lieber platzen vor Freude, statt in sich zusammen zu fallen.

Aber es gibt auch die andere Seite. Dann ist Sie so traurig, dass Sie ihre Quarkkuchen direkt aus Milch machen kann, weil diese stockt und von ganz alleine sauer wird. Und alles hat dann einen leichten Hauch Muskat und Bitterkeit. Ja, ich beneide Sie, um dieses ungewöhnliche Talent. Wenn andere Tag für Tag um Ausdruck bemüht sind, ihre Gefühle und Gedanken aber in Glashäuser pferchen, wo sie ihre Nasen platt drücken und sich an den Rissen im Glas selbige blutig schneiden, so dass sie nur aussehen wie Clowns –  in diesen Momenten backt meine Liebe ihre Kuchen, bei 190 Grad und nach dem letzten Schluck Kaffee kann sie schon wieder fröhlich sein.