XXXI

Ich bin wirklich froh, dass du dir die Zeit genommen hast mir zu gratulieren, ehe die SQL-Server ihre Cronjobs durchliefen. Ich hatte weniger Angst vor der Zahl, als davor nur noch als Feld in einer Datenbank wahrgenommen zu werden. Ein Leben in und als IT bringt so etwas irgendwann mit sich, wenn man nicht strikt trennt. Und dafür bin ich zu sehr drin.

Das habe ich gemerkt, als ich auf die Uhr sah und mir bewusst war, dass gleich jede Menge Mails ohne realen Absender eintrudeln. Aber dann klingelte das Telefon in der realen Welt und du warst dran und hast „Alles Gute zum Geburtstag“ gesagt. Und es gemeint. Ich hab es gehört. An der Müdigkeit in deiner Stimme. Schließlich schläfst du um diese Zeit sonst. Ich nicht. Manchmal glaube ich, nie zu schlafen. Dann schlüpfe ich von einem Traum in den nächsten. Augen zu. Augen auf. Eine Welt ist wie die andere. Keine bleibt so sehr haften, dass man es Erinnerung nennen kann. Und dann höre ich deine Stimme und weiß wieder, in welcher der beiden Welten ich bleibe. In welche ich gehöre. Drüben sagt niemand „Alles Gute zum Geburtstag“, wie du es kannst.

Ernst des Lebens?

Gibt es den überhaupt?

1996 habe ich eine Ausbildung zum Chemikant angefangen. Die dauerte 3,5 Jahre und im Jahr 1999 war ich dann auch fertig. Damals dachte ich wirklich, dass es von nun an nichts mehr neues geben würde. Ich war froh, zum Bund gehen zu dürfen und auch meine Entscheidung die BOS zu besuchen war weniger aus der Überzeugung meiner überlegenen Intelligenz heraus getroffen, sondern mehr als Möglichkeit die Flucht zu ergreifen.

Nun war der Beruf wirklich nichts für mich. Die seltsame Kombination aus Langeweile und Stumpfsinn, in die ich mich hatte lullen lassen fraß mein Selbstwertgefühl mindestens genauso auf, wie die paar wenigen Kollegen, die sich auf meine Kosten ein schöneres Leben machen wollten. Ich hatte Schonfrist. 10 Monate Bundeswehr, ein Jahr normal weiter arbeiten, danach 2 Jahre Berufsoberschule. Die 6 Monate nichts tun bis zum Antritt meines Studiums konnte ich als Urlaub genießen, damals ging das sogar noch alimentiert. Jobangebote kamen keine, weil meine Berufsberaterin die Immatrikulation bereits bei den Akten hatte.

Jetzt stehe ich wieder an so einer Stelle. In weniger als 3 Monaten bin ich fertig mit der Ausbildung. Nur ist die Konstellation diesmal anders. Im Gegensatz zu damals fühlt sich alles eher nach Fortschritt an, denn nach Stagnation. Sicher, es gibt noch viele Unwägbarkeiten. 2 Jahre befristet, mit der Option auf weitere 2 Jahre. Mehr konnte man mir für diese Stadt nicht anbieten. Aber auch das ist anders. Während ich mich in meiner Heimat und dem Ort in dem ich meinem Beruf nach ging niemals wohl oder heimisch gefühlt hatte, habe ich hier das Gefühl aufgehoben zu sein.

Klar, ich hätte auch auf Dauer nach München gehen können, oder nach Essen, Hannover, Hamburg, Duisburg,… fast ganz Deutschland stand zur Wahl. Aber als ich hier her zog konnte ich nicht ahnen, dass ich meine Wurzeln so tief in die Erde dieser Stadt würde sprießen lassen. Im Studium war mir das noch zu bindend, jetzt mache ich es gern. Ich will zu Hause sein. Auch meine ursprüngliche Heimat löst inzwischen dieses Gefühl in mi raus. Vielleicht liegt es doch am älter werden. Man fliegt als Samen durch den Wind und lässt sich nieder, wenn es Zeit zum Keimen wird, so wie der Löwenzahn.

Bei all diesen Gedanken überrascht mich insbesondere einer: Der Ernst des Lebens, der mich früher mehr erschreckte, als erfreute – sofern es ihn gibt – er schrickt mich nicht mehr.

Der Mensch der ich war

Wenn ich dieses Bild von mir mit dem in meinem Spiegel vergleiche,
drängen sich mir mathematische Vergleiche auf.

Wie viel Erfahrung darf ich zu dem Kind das ich einst war addieren?
Und welche Verluste abziehen?

Konnte ich wirklich früher so unschuldig lächeln?
Oder lächelte ich einfach?

Wenn ich heute meinen Blick nach vorne richte suche ich Zukunft.
Damals gab es nur das Hier und Jetzt.

kleiner Berni

Autos und Menschen

Menschen binden sich an die verrücktesten Dinge. Gerade hier in Deutschland lieben die Menschen ihre Statussymbole oftmals mehr, als ihre eigenen Kinder. Ich hatte zum Beispiel früher einen Kollegen, der zwar verheiratet war, dem das Thema Familienplanung aber so gar nicht lag. Seiner Gattin übrigens auch nicht.
Für die beiden war es viel wichtiger, zwei Mal im Jahr in die Welt hinaus zu reisen und mehrere teure Räder zu besitzen. Was für die beiden ihre körperliche und ästhetische Selbstverwirklichung war, ist für einen großen Teil der Deutschen die Wahl des richtigen Autos.
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Zwischen den Feiertagen

Man sollte meinen 3 Wochen Urlaub wären erholsam. Aber nach der Vor-, Während- und Zwischenfeiertagsfresserei und dem Warten auf das was noch kommt, verfliegt die Zeit so gut wie gar nicht. Es ist als wäre irgend jemand auf die Idee gekommen der Relativität der Zeit einen sichtbaren, erfahrbaren Gegenwert gegenüber zu stellen.

Wie ein überdehntes Gummiband ziehen sich die Tage bis zum 26. Dezember in die Länge, schnalzen dann kurz vor dem Zerreißen nach vorne und katapultieren die träge Masse Mensch in Richtung Silvester, nur um dann abrupt zu bremsen und die unvorbereitete Seele in ein neues Jahr zu schleudern.

In all diesem Nichtstun zwischen den Jahren könnte das Leben ewig dauern, wäre da nicht die Gewissheit, dass man irgendwann heraus wächst. Heraus aus dem Warten, heraus aus der Untätigkeit, heraus aus dem, was man am Leib trägt.

Ich für meinen Teil werde die letzten Urlaubstage in Nürnberg verbringen, in München kurz – um eine Wohnung zu finden – und in Würzburg, damit ich das Jahr mit einem Versprechen und einem guten Text beginne. Lernen, ja lernen werde ich auch. Das habe ich mir versprochen, fernab von all dem, was man sich zum Jahresende verspricht.

Und nun ziehe ich mich wieder zurück in die selbstgewählte Lethargie meiner Bärenhöhle und warte bis der erste Frühlingsmorgen mich zum Essen ruft!