Aus.lese – the Movie!

Gestern abend durfte ich – seit langer Zeit mal wieder – einige meiner Gedichte vor Publikum vortragen. Ich muss sagen, es hat mir echt Spaß gemacht. Sonst liegen die Texte ja nur wie tot in der weiten Welt des worldwide web und warten auf einen freundlichen Leser, der sie sich zu Gemüte zieht. Und genau genommen tu ich ihnen damit auch ziemlich großes Unrecht. Sie haben eindeutig mehr verdient als das!

An dieser Stelle auch noch mal ein herzliches Dankeschön an Frau Wortwahl und das Team der Weinerei – Dirk für den dauernden Weinnachschub, den Zuhörern für ihre Ohren und der wirklich genialen Band GoldColt für das Intermezzo zwischen den Lesern.

Ich spann euch jetzt auch nicht mehr auf die Folter – Hier der Film in zwei Teilen:

was passiert, wenn man seine Videokamera auch als Handy missbraucht? *klingeling* Anruf aus der Regie – CUT und – weiter gehts!

leider fehlen ein paar Sekunden.

Erklär mir, Liebe!

Dein Hut lüftet sich leis; grüßt, schwebt im Wind,
dein unbedeckter Kopf hat’s Wolken angetan,
dein Herz hat anderswo zu tun,
dein Mund verleibt sich neue Sprachen ein,
das Zittergras im Land nimmt überhand,
Sternblumen bläst der Sommer an und aus,
von Flocken blind erhebst du dein Gesicht,
du lachst und weinst und gehst an dir zugrund,
was soll dir noch geschehen –

Erklär mir, Liebe!

Der Pfau, in feierlichem Staunen, schlägt sein Rad,
die Taube stellt den Federkragen hoch,
vom Gurren überfüllt, dehnt sich die Luft,
der Entrich schreit, vom wilden Honig nimmt
das ganze Land, auch im gesetzten Park
hat jedes Beet ein goldner Staub umsäumt.

Der Fisch errötet, überholt den Schwarm
und stürzt durch Grotten ins Korallenbett.
Zur Silbersandmusik tanzt scheu der Skorpion.
Der Käfer riecht die Herrlichste von weit;
hätt ich nur seinen Sinn, ich fühlte auch,
daß Flügel unter ihrem Panzer schimmern,
und nähm den Weg zum fernen Erdbeerstrauch!

Erklär mir, Liebe!

Wasser weiß zu reden,
die Welle nimmt die Welle an der Hand,
im Weinberg schwillt die Traube, springt und fällt.
So arglos tritt die Schnecke aus dem Haus!

Ein Stein weiß einen andern zu erweichen!

Erklär mir, Liebe, was ich nicht erklären kann:
sollt ich die kurze schauerliche Zeit
nur mit Gedanken Umgang haben und allein
nichts Liebes kennen und nichts Liebes tun?
Muß einer denken? Wird er nicht vermißt?

Du sagst: es zählt ein andrer Geist auf ihn…
Erklär mir nichts. Ich seh den Salamander
durch jedes Feuer gehen.
Kein Schauer jagt ihn, und es schmerzt ihn nichts.

Ingeborg Bachmann (1926-1973)

Glückliche Kastraten

Schau dir diesen Verstand an,
er ist scharf genug,
um das Atom zu spalten.
Er könnte ganze Universen
und noch mehr verwalten
und das Einzige
wozu du ihn gebrauchst
ist deinen Schwanz zu zähmen.

Du bist noch immer klug genug,
um dieses Wissen nicht in Frage zu stellen
und trotzdem wird dich dein Gemächt
unter die Knute eines Weibes stellen.

Was nutzt Erkenntnis ohne Widerstand?

So bleibt nur noch,
das Offensichtliche zu nennen:
Kastraten sind die glücklicheren Männer.
Das ist es, mehr oder weniger,
auf einem Nenner.