Die Sonne war schon seit Stunden aus seinem Blickfeld verschwunden und hatte ihren Platz
den Milliarden von Sternen überlassen, die nun das Dunkel rund um das Schiff ausfüllten.
Die Schönheit dessen, was sich in allen Richtungen um ihn herum auftat täuschte eine
Friedfertigkeit vor, die den Unvorsichtigen in tödliche Sicherheit wog. Doch in den Jahren,
die er schon hier draussen lebte war ihm durchaus bewusst, wie gnadenlos seine Umwelt
Fehler bestrafte.
Aber es war genau jene Gefahr, die diesen Frieden sicherte und im Bewusstsein dieses
Wissens fühlte er sich zwischen all den fernen Sonnen wie zu Hause. Menschen waren nur
sehr selten hier draussen, dafür gab es zu wenig Anreize, die das Risiko Leben oder
Ausrüstung zu riskieren rechtfertigten. So konnte er völlig auf sich allein gestellt, auf seinem
Schiff, inmitten eines Ozeans aus Sternen ohne Angst vor Störung leben. Die Gefahren denen
er sich dabei aussetzte vergrößerten den Reiz nur noch. Aus dieser Entfernung wirkten alle
Sterne die man sehen konnte wie wunderschöne eisblaue Diamanten, doch wenn man ihnen
zu nahe käme, würden ihre harte Gamma-Strahlung und ihr unbarmherziges Feuer jedem
ohne Ausnahme das Fleisch von den Knochen brennen, bis der Körper nur noch als Plasma
durch das Vakuum strömte. Wie viel Leidenschaft wurde von den Menschen schon in diese
Hitze interpretiert, manche taten es der Romantik zu liebe, andere weil sie sich nicht erklären
konnten, warum etwas so Gewalttätiges so wunderschön sein konnte. Für ihn war der Anblick
deshalb so anziehend, weil er genau dieses Feuer in sich fühlen konnte. Nicht immer, aber
dennoch immer so deutlich, das er jeden Zweifel beiseite wischen konnte.
In seiner Brust, brannte ein Stern, klein, aber so unvorstellbar heiß, dass er Angst hatte, diese
Energie frei zu lassen. Sterne sollten nicht in der Nähe von Leben existieren, da hatte das
Universum Recht. Sie gehörten in die eisigen Tiefen des Weltalls und Leben hatte nur an
ihren Grenzen Chancen. Genau aus diesem Grund war er hier, an dem Ort, an dem er von
jedem Lebewesen in seiner Reichweite weit genug entfernt war um keinen Schaden
anzurichten. Wenn er lange genug in das Dunkel vor sich blickte, dann konnte er ihn sehen,
seinen Stern. Aus einem eisig blauen Zentrum brachen immer wieder Ströme aus Feuer aus,
die sich wie Schlangen durch seinen Körper ausbreiteten, Arme, Beine und Kopf erreichten
und sich dort kräuselnd stauten, während sie immer mehr abkühlten und verschwanden. Doch
manche dieser Jetstreams waren so stark, das sie durch seine Fingerspitzen nach außen
brachen.
Mit einem Blinzeln brach er die Magie dieser Vision und kehrte in die Realität zurück. Eine
Hand ruhte auf seiner Brust, Schweiß perlte auf seiner Haut und zeigte ihm, dass die Grenze
zwischen seiner Vorstellungskraft und der Realität immer mehr schwand. Es war nur noch
eine Frage der Zeit, bis seine Beherrschung nicht mehr ausreichen würde. Dann würde das
geschehen, wovor er sich seit Jahren gefürchtet hatte. Vielleicht würde es nachts geschehen,
in den vielen Träumen die ihn heimsuchten und in denen er jede Kontrolle verlor über das
was mit ihm geschah, oder es würde passieren, wenn er sich verliebte und sein Herz ihm
Dinge vorgaukelte, egal wann, irgendwann würde seine Wachsamkeit einen entscheidenden
Moment nicht ausreichen und dann würde der Stern ausbrechen, ihn verschlingen und zu
seinen Geschwistern dort oben am Himmel heimkehren. Wäre diese Verantwortung nicht, die
ihm ein ungerechter Geist aufgebürdet hatte, er wäre niemals von seinem Heim, seiner
Familie, seiner Liebe weg gegangen, doch so blieb ihm keine andere Wahl. In alten Büchern
hatte er viele Wahrheiten gefunden, doch keine Erklärung wieso ausgerechnet ihm solch ein
Schicksal zuteil werden sollte. Wir alle sind Kinder der Sterne, als sie starben gaben sie uns
einen Teil ihres Feuers mit, darum sind die Menschen, möglicherweise ist alles Leben auf der
Erde aus diesem Grund so aggressiv. Wir sind Kinder des Feuers und Feuer verzehrt, bis
keine Grundlage mehr existiert es zu nähren. Ohne Antwort auf seine Fragen hatte er alle
Brücken abgebrochen und war hierher gekommen. In manchen Nächten träumte er, wie ein
Raumschiff in die Weiten des Weltalls trug, doch wenn sein Schlaf leichter wurde fühlte er
immer das Wogen der Wellen unter ihm, dann öffnete er langsam die Augen, nahm den
Salzgeruch und das leichte modern des Holzes wahr. Dann begann der Tag, den er so hasste,
weil er ihm Dinge sehen ließ, die für ihn unerreichbar waren. Er setzte Segel, brachte die
Nussschale auf der der wohnte auf Kurs und segelte der Nacht entgegen und seinen
Träumen von einer Zukunft die ihm nie vergönnt sein würde. Vielleicht würde das Wasser
die Hitze in ihm eines Tages aufhalten, dachte er dann und warf einen hasserfüllten Blick in
Richtung Sonne. So würde es enden, ein roter gnadenloser Feuerball, der aus dem Meer
auftauchte und den Horizont dabei verschlang.