Uferspaziergang

Jeden Tag geh ich am Ufer der Erinnerung spazieren,
immer bedacht nichts zu verlieren, was noch brauchbar ist.

Mit wachem Blick seh’ ich dem Meer entgegen, wie es am Ufer bricht.
Manchmal überrascht es mich, mit Dingen die Vortags noch woanders lagen.

Das Meer macht sich den Spaß und hat sie unbemerkt von einem anderen Ufer hergetragen.
Du glitzernd Ding, so filigran, was bist du nur?

Was hat das Meer mit all der Kraft der Strömung dir alles abgetragen? Warst du ein Einkaufszettel? Eine Liebesbotschaft, gar eine ungehörte?

Heut bricht sich nur das Licht der Morgendämmerung in deinen Kanten, streut sanft Gefühle in den Sand und meine Augen. Hab ich dich hier vergessen?

Noch vor ein paar Jahren war mir der Blick für so was fremd. Mit Spaten, Stein und Eisen zäunte ich das Meer aus. Grub metertiefe Schluchten in den Sand, wollt mir nichts rauben lassen.

Nichts gab ich her, nichts konnte ich vergessen. Sogar die bittersten Gedanken kämpfe ich mir zurück. Was wollt ich nicht verlieren? Weiß ich’s noch? Wusste ich es überhaupt jemals?

Jeden Tag geh ich am Ufer der Erinnerung spazieren, doch nur noch selten hab ich Angst das zu verlieren, was damals – gestern? – noch so wichtig war.

Nur so ein glitzernd Ding, was immer es mir mal bedeutet hat, weckt noch mal kurz die alte Glut. Was hast du denn hier verloren, kleine Erinnerung!?

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