Im Regal

Ich weiß nicht mehr, wann das war. Irgendwann trifft sicher zu. Ich war einkaufen, auch eine jener alltäglichen Tätigkeiten. Unerlässlich, wenn man sich nicht selbst versorgen kann. Da stand im Angebotsvitrinchen eine Kostbarkeit, nicht preislich, eher dezent in der Auslage. ”4 GB USB STICK!” stand darunter. Und ”SUPER-Eröffnungsangebot – Nur 11,99 €!”.

Während ich gegen einen dieser ‘Genaudaswasichschoimmerhabenwollte’ Momente ankämpfte, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Was zum Teufel besitze ich, das 4 GB groß ist!?

Ganz ehrlich, ich habe mir einige Tage überlegt, wie ich euch das verdeutlichen könnte. Aber 4 Milliarden?! Das scheitert doch schon allein daran, dass niemand weiß, was ein Byte ist! Aber Bit, ein Bit hat jeder schon mal getrunken… in einem Kasten Bitburger stecken 20 Bit. 2 Kästen wären damit also 5 Byte. Das ganze ganz grob mal 1 Milliarde und ihr habt den Rausch eures Lebens, gewissermaßen den letzten. Tja, das hilft zwar jetzt dem Großteil der männlichen Besucher heute Abend, aber was ist mit dem schönen Geschlecht?! Ah, genau! Wenn euer Begleiter, Freund, Ehemann oder Bekannter jetzt probiert herauszufinden, wie viel Byte er aufnehmen kann, dann kann ein Bit auch für jedes wütende Funkeln aus euren Augen stehen, sobald ihr gehen wollt – er aber nicht.

Aber zurück zum Thema! 4 GB!!! Das ist genug für eine DVD, aber wozu, wenn es doch schon auf einer DVD drauf ist?! Sonst fiel mir nichts ein, dass ich noch unbedingt konservieren, transportieren oder editieren musste und das auch tatsächlich so groß war.

Nehmen wir mein Weblog, in dem dieser Text steht: 120 Megabyte.
Meine gesammelten Texte: 4,20 Megabyte.

Hätte ich 4 Gigabyte an Liebesgedichten, würde ich sie nicht dort hinspeichern. Vielleicht würde ich sie löschen. Einfach, weil 4 Gigabyte Lyrik niemand interessieren. Die Leute reagieren doch schon allergisch, wenn sie mehr als 3 Gedichte hören oder lesen dürfen.

3 Gedichte: 71 Kilobyte.

Und Leute sind ja jetzt nicht mal von Interesse. Eine Angebetete der man auf mehr als einer Seite in Reimform seine Liebe gesteht, tritt die Flucht völlig zu Recht an. Nirgends ist es literarisch so verpflichtend sich kurz zu fassen, wie in der Liebe.

Kurz: 1 Byte.

1 Byte würde reichen für die allbekannten ‘WillstdumitmirgehenJaNeinVielleicht” Briefchen von vor vielzuvielen Jahren. J, N und V brauchen jeweils ein Byte.
Es geht noch kürzer!

Kürzer: 1 Bit.

Die wohl kürzeste Möglichkeit in der Informatik die Liebe zu gestehen. Sofern jemand fragt. Ein Bit reicht für Ja und Nein, True or False, Strom ein – Strom aus. Die krasseste Allegorie von allen.

Reduziert auf das Maximum: 0 Bit.

Jetzt sind wir da, wo alles angefangen hat. Wie misst man Informationen, die nie fließen? Die höchstens, aber nicht bedingt, auf die reine Annahme von Informationen beruhen?
Mehr ein Schätzen, als ein Wissen. Nichts wofür man seine Hand ins Feuer legen sollte, wofür man es aber trotzdem tut.

Vielleicht liegt das Wage in unserer Natur, wie die Unwägbarkeit in der Natur liegt.
Welche Aussagekraft wir ihm auch immer zuschreiben, ein Blick kann Terabyte an Informationen verschicken und an den Metainformationen verschlucken wir uns ständig!

Metainformation: Dinge von denen wir annehmen, dass sie da sind: Empfänger (ich) z. B., Subtext (ich blinzle dich an, weil ich dich toll finde), Bedeutungen (komm und lad mich auf ein Glas Wein ein!). In der Informationstechnik nennt man das lakonisch Overhead, was sicher davon kommt, dass einem so was schnell über den Kopf wächst, denn wahrscheinlich war es nur eine Wimper und die Senderin abstinent… zumindest in diesem Moment.

Wozu also, um die Frage noch einmal aufzuwerfen, wozu brauche ich 4 GB?

Ein Gedanke zu „Im Regal

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