Und sie ändert sich doch!

Seit ich wieder auf Dauer hier in Traunstein lebe, hatte ich schon mehrmals die Chance, die alten Flecken meiner Kindheit neu zu finden. Bisher war ich immer der Meinung, dass sich der Ort in einer Art Zeitblase befindet, die in alle Richtungen durchlässig ist. Man kann sie betreten und verlassen, doch sie bleibt gegenüber Veränderungen resistent.

Weit gefehlt! Wie ich nun feststellen durfte ändert sich doch etwas. Nur einfach Dinge, die einem bei bloßem Vorbeileben kaum auffallen würden. Da ich aber inzwischen versuche meine Augen wirklich offen zu halten konnte ich nicht länger daran vorbei sehen.

Angefangen hat es bei der Straße zu unserer Wohnung. Dieses Stück Teer – nein, diese Stücke Teer – waren seit jeher ein sicherer Wegweiser in die Heimat. Ich kannte jedes Schlagloch auf dem Weg heim. Egal ob auf dem Bürgersteig oder auf der Straße. Inzwischen findet man dort kein einziges mehr! ich war anfangs wirklich am verzweifeln, weil ich nicht sicher war, ob ich auf diesem neuen Streifen Boden noch meinen Weg heim finden könnte. Doch die Veränderungen machten dort nicht halt. Letzte Woche musste ich feststellen, dass die Videodealerin meines Vertrauens ihre Pforten schließen wird. Für immer! Ich meine, wie soll ich denn dann an die Filme kommen, die ich so gern sehe? Ich bin zwar nicht vollkommen auf dem Trockenen, da noch zwei weitere Läden Filme verleihen, aber deren Sympathiewerte sind irgendwo im Nachkommabereich der Zahl Null! Keine Chance, dass ich dort auf Dauer rein gehe!

Und nun kommen wir zu dem Grund dieses doch sehr langen Textes. Gestern Abend habe ich mich mit Freunden im schönesten Biergarten des Orts verabredet. Danach wollte ich noch ausgehen, da ich im Moment viel zu viele Gründe habe mich abzulenken und keiner davon sonderlich schön ist.

auf dem Weg dorthin bin ich etwas umständlich gelaufen, weil mich breite Straßen abstoßen und ich beim Fußmarsch gern Ruhe habe und mir dann die Eindrücke, Gerüche und Geräusche die nötige Vorfreude bescheren. So führte mein Weg auch an meiner alten Grundschule vorbei. Nur war dort, wo ich die ersten 2 Jahre meine Schulbank drückte nur noch ein staubiger und schmutziger Parkplatz und kein Pavillion mehr! Die haben das Ding einfach abgerissen. Jaaa, sicher wären sie damit nur dem baldigen Einsturz des Gebäudes zuvorgekommen und klar, das Asbest in den Wänden und das marode Flachdach waren eine Gefahr für jeden, der dort drinnen unterrichtet wurde, aber es war verdammt noch mal MEINE Schule! Ich habe nicht viel Positives darin erlebt. Eigentlich gar nichts, dass sich bis heute in meiner Erinnerung wach halten würde. Aber ich war dort drinnen das erste Mal verliebt und kurz darauf das erste Mal wegen einer Frau unglücklich. Auch meine erste Ohnmacht erlebte ich auf dem Linoleum dieses Gebäudes.

Mit dem Abriss ist mir auch jede Chance vertan, in diese Erinnerungswelt noch einmal einzudringen. Vielleicht kennt jemand diese Gefühle, wenn man an Orte zurückkehrt, sie mit der eigenen Erinnerung vergleicht, um festzustellen, was wahr ist und was nur einer romantischen Wahrnehmung entsprang.

Ja, Traunstein ist kein statisches Universum, die Stadt ändert sich, ich änderte mich. Vielleicht liegt es darin begründet, dass ich mich auf Dauer hier nicht mehr wohl fühlen kann.

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