Musik mit Sexappeal

Ich musste das erst wieder lernen, das Zuhören. Bei Mitmenschen klappt es noch nicht so 100%ig, aber es wird. Ich habe viel verpasst und einiges an Intuition eingebüßt und das tut mir wirklich leid.

Zuhören lernen, nichts ist leichter gesagt und schwieriger durchzuführen. Zuhören heißt ja nicht nur, die Worte zu hören, sondern auch Nuancen, Satzzeichen Emotionen zuzuordnen und manchmal auch Unausgesprochenes zu registrieren.

Und dann muss man erst mal das eigene innere Plappermaul zum Schweigen bringen, dass einem in jedem Gespräch begleitet und in allem das letzte Wort haben möchte.

Mein Weg ging über Musik. Heute wird man ja an allen Ecken mit dem belästigt, was heute landläufig als Musik beworben wird. Kaufhäuser wollen die Leute damit zum Kauf animieren und riskieren mancherorts eher ihre Kunden zu vergraulen. Auf der Straße gibt es alle Nase lang Kids, deren Handylautsprecher um Gnade winseln, während sie die gerade angesagten Hits quäken. Kommt nur mir das lachhaft vor? Zu meiner Zeit – ja ich weiß es hört sich blöd an – gabs noch echte Punks die sich mit Gettoblastern am Bahnhof rumtrieben und das Geld für den nächsten Satz Batterien zusammenschnorrten. Die Dinger lieferten wenigstens noch halbwegs gute Klangqualität.

Zurück zum Thema, ehe ich noch weiter abschweife.

Seit einigen Wochen traue ich mich immer öfter wieder Musik anzuhören. Die Betonung liegt auf anhören. Berieselung ist das nicht. Ich fühle mit den Leuten, die dort ihre Geschichte erzählen wollen und genieße es, wenn ich einen neuen Aspekt darin entdecke. Und es erschreckt mich manchmal, wenn ich feststelle, dass ich gerade seit mehreren Stunden völlig still in meinem Zimmer sitze und lese. Bei Büchern ist das ja kein Problem, da füllen mich die inneren Dialoge und meine Phantasie mit so viel Input, dass mir die Welt um mich herum kaum noch wirklich vorkommt.

Was ich derzeit wahnsinnig gern höre ist Frank Sinatra, nicht unbedingt das, was er mit dem Rat Pack zusammen gesungen hat, sondern seine Solostücke. Frank ist mir fast zum geliebten Zeitgenossen geworden, trotz seiner weniger rühmlichen Vergangenheit. Immerhin hatte der Mann Stil und das nicht zu knapp. Da kann ich ihm seine Verwicklungen in die Chicagoer Mafia und seine Alkoholexzesse durchaus verzeihen. Ist ja nicht meine Biografie. Ich glaube Genies brauchen irgendein Manko, etwas das sie für andere wieder auf ihre Ebene runterholt, einen Fleck, der so dezent schwarz ist, dass man ihn einfach als Accessoire anerkennen muss. Und was wäre ein Barmusiker, ohne Wiskey oder Burbon? Da ist der Alkoholismus schon fast Berufsrisiko. Warum hat das keine Gewerkschaft in ihrem Programm!?

Ja, ich finde Franks Musik einfach nur sexy. Schade, dass ich sie gerade allein hören muss. Der Mann wäre der ideale Hintergrund für einen heißen Flirt.

Ein Gedanke zu „Musik mit Sexappeal

  1. Klasse Text, der mir soviel Spaß beim lesen bereitet hat, wie dir beim schreiben. Eigentlich wirklich das Beste, was du bisher zu „Papier“ gebracht hast und animiert zum weiterlesen und „Musik“ hören. :mrgreen:

    Den Weg mußt du unbedingt weitergehen.

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