Verfassungskompromiss?

Mal ganz ehrlich? Wenn man bei einer so wichtigen Angelegenheit, wie einer Europäischen Verfassung Kompromisse fordert, dann hat man das Ziel einer Verfassung bereits aus den Augen verloren. Verfassungen sollen eindeutige Grenzen setzen und keine schwammigen Konturen! Sie sollen und müssen an das beste im Menschen appellieren und jeden und dauernd fordern, romantische und idealistische Ziele ins Auge zu fassen.

Ein „Die Würde des Menschen ist unantastbar, außer sonntags zwischen 10 und 13 Uhr.“ wird ein geeintes Europa in noch weitere Ferne rücken, als es bereits der Fall ist. Und das NICHT NUR wegen der verschiedenen Zeitzonen!

3 Gedanken zu „Verfassungskompromiss?

  1. Jedes politische Handeln, an dem mehrere Seiten beteiligt sind, ist ein Kompromiß. Damit ist auch – und das mit Sicherheit – das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gemeint. Allenfalls die Menschenrechte sind unteilbar (oder sollten es sein), aber selbst hier sind durch verschiedenste Nachbesserungen bereits Lücken gerissen worden. Umso mehr würde eine europäische Verfassung mit weit über 20 Staaten der verschiedensten Prägung zu einem Kompromiß geraten müssen, wenn sie denn überhaupt in Kraft träte. Nur dafür sehe ich derzeit kaum eine Perspektive, auch wenn Mindeststandards in allen Bereichen äußerst notwendig wären. Letztlich liegt hier eine der Sollbruchstellen des europäischen Gedanken schlechthin : der Egoismus und die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Traditionen der beteiligten Staaten. LG DerGeist

  2. Das GG war kein Kompromiss, zumindest keiner der Art, wie er bei der EU Verfassung angestrebt wird. Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs hätten sich nicht auf einen Kompromiss einlassen müssen. Das Diktat der Sieger zählt natürlich nur nach Kriegen 😉

    Für das Funktionieren der EU, wie sie momentan besteht ist keine Verfassung nötig, schon gar nicht eine, die nur das wirtschaftliche Miteinander festlegt, denn das ist bereits bis ins kleinste geregelt. Wenn man also eine Verfassung für alle europäischen Staaten will und das ganze politische Geplänkel mal außen vor lässt, dann braucht es eine Inspiration, die alle Bürger teilen können. Sonst wird das nur ein hohles Wortwerk, ohne Sinn und Zweck.

  3. In der verfassungsgebenden Versammlung saßen Vertreter der verschiedensten politischen Denkrichtungen, die durchaus auch unterschiedliche politische Ansätze und Interessen hatten. Daß es selbstverständlich Vorgaben und Kontrolle durch die Alliierten gab, bestreite ich nicht, aber innerhalb der Vorgaben waren mit Sicherheit recht große Freiräume und damit Notwendigkeiten zum Kompromiß. Allein unser Wahlsystem ist mit d’Hondt so verkorkst – und doch wieder liebenswert – daß es nur aus einem Kompromiß geboren worden sein kann. 😉
    Es geht ja um mehr als ein rein wirtschaftliches Miteinander, denn natürlich sollen ja auch der Umgang miteinander, die Beschlußfassung reformiert werden. Hieran gerade wird es wohl scheitern. Und daß es in absehbarer Zeit bei einem Europa der Nationalstaaten bleiben wird, war schon vor der Erarbeitung klar. Allerdings denke ich, daß verbindliche gemeinschaftliche Maßstäbe durchaus nottun, betrachtet man etwa die Korruption in Rumänien, den Umgang mit Homosexuellen und abtreibungswilligen Frauen in Polen oder die Probleme mit den jeweiligen russischen Minderheiten in den baltischen Staaten. Und die Türkei steht auch vor den Toren, woraus sich noch ganz erhebliche Aufgaben einer Verfassung ableiten lassen, außer man betreibt strikte Ausgrenzung dieses Staates, was ich für falsch hielte.

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