Austreten

Nein, nicht die aktuelle Debatte über die seelischen Untiefen gewisser Menschen hat mich dazu gebracht endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Der Entschluss gärt schon lange in mir, wurde immer nur aufgeschoben, aber nie aufgehoben. Zuerst dachte ich, es wäre egal, da eh keine Kosten dabei entstünden. Dann habe ich mir eingeredet, es könnte irgendwann noch berufliche Vorteile haben. Letztlich war es doch mehr das „drin“ sein in dem was man ablegen will. Die eigene Haut zieht man auch nicht aus, wenn man schlafen geht, darüber denkt man nicht mal nach. So ähnlich ist es mit der eigenen Konfession. Schließlich begleitete einen das Leben in der Gemeinde für eine geraume Weile. Klar, die Kommunion war schon der erste Schritt in die kommerzielle Vermarktung des eigenen Wertekanons, aber hey!

Meine Firmung werde ich nur aus dem Grund nicht vergessen, weil mein bester Freund damals von dem ganzen Drogenkram dort in Ohnmacht gefallen war und kurz danach besuchte ich Kirchen wenn überhaupt, dann nur noch aus rein touristischem Interesse. Für mich ist Gott etwas abstraktes, dass ich in Gedanken messen möchte, dass ich untersuchen will, aber nichts dem ich mich willentlich willenlos unterordnen kann. Ein Religion, die so etwas von mir fordert hat verloren. Und zwar mich!

Selbst wenn ich jetzt rechne, wenn ich argumentiere wie viel Geld mir das spart. Wenn ich aufzähle, was die Kirche alles falsch macht. Es ändert nichts daran, dass mir der Schritt schwer fällt. Aber liebe katholische Kirche, du hast einen Fehler gemacht. Du hast dich mit aller Kraft in die Waagschale geworfen, hast bewiesen, dass du einen Dialog mit Gläubigen und mit dem Glauben nur oberflächlich zulässt, während du in deinem inneren doch nur darauf erpicht bist das Recht zu behalten Recht zu behalten. Und dazu brauchst du meine Unterstützung garantiert nicht.

Abendrot, nach Zahlen

Schon als kleiner Knabe nahm mich mein Vater
auf seinen Schoß, wenn er bei der Arbeit saß.
Er war Maler, wie schon sein Vater
und der Vater seines Vaters.

Über viele Generationen hinweg waren die Väter
in meiner Familie Maler.
Aber sie malten nicht viele, sondern nur ein einziges,
nie ganz vollkommenes Bild.
Jeder für sich, sein Leben lang.

Der Rahmen war nicht groß, vielleicht ein Meter oder
mehr im Durchmesser.
Sie waren Meister ihrer Kunst.
Das wichtigste, so sagte mein Vater oft, ist die Farbe.
Taugt sie nichts, taugt auch das Bild nichts.

Siehst du das Blau des Meeres? 1000 Jahre ist es her,
das unsere Ahnen sich entschieden, dass nur das Blau
in den Augen einer bestimmten Frau dafür geeignet war.
Und hier, wo der Himmel ins Meer mündet, die dunkle
Linie am Horrizont?!

Nur die schwärzeste Seele ihrer Epoche war für diesen
Farbton verantwortlich.
Aber die letzten 50 Jahre waren die schwersten.
Für mich, für meinen Vater. An uns war es, dem Abendrot
des Sonnenuntergangs Gestalt zu geben.

Es fehlt nur noch ein einziger Farbton. Einer von 150!
Vielleicht ist es dir ein Trost, dass damit das Bild endlich,
endlich, endlich vollkommen ist.
149 Farben, 149 Menschen und du, haben ihr Leben dafür gegeben.
Nein, lauf nicht weg! Wo würde das sonst enden!?