Ernst des Lebens?

Gibt es den überhaupt?

1996 habe ich eine Ausbildung zum Chemikant angefangen. Die dauerte 3,5 Jahre und im Jahr 1999 war ich dann auch fertig. Damals dachte ich wirklich, dass es von nun an nichts mehr neues geben würde. Ich war froh, zum Bund gehen zu dürfen und auch meine Entscheidung die BOS zu besuchen war weniger aus der Überzeugung meiner überlegenen Intelligenz heraus getroffen, sondern mehr als Möglichkeit die Flucht zu ergreifen.

Nun war der Beruf wirklich nichts für mich. Die seltsame Kombination aus Langeweile und Stumpfsinn, in die ich mich hatte lullen lassen fraß mein Selbstwertgefühl mindestens genauso auf, wie die paar wenigen Kollegen, die sich auf meine Kosten ein schöneres Leben machen wollten. Ich hatte Schonfrist. 10 Monate Bundeswehr, ein Jahr normal weiter arbeiten, danach 2 Jahre Berufsoberschule. Die 6 Monate nichts tun bis zum Antritt meines Studiums konnte ich als Urlaub genießen, damals ging das sogar noch alimentiert. Jobangebote kamen keine, weil meine Berufsberaterin die Immatrikulation bereits bei den Akten hatte.

Jetzt stehe ich wieder an so einer Stelle. In weniger als 3 Monaten bin ich fertig mit der Ausbildung. Nur ist die Konstellation diesmal anders. Im Gegensatz zu damals fühlt sich alles eher nach Fortschritt an, denn nach Stagnation. Sicher, es gibt noch viele Unwägbarkeiten. 2 Jahre befristet, mit der Option auf weitere 2 Jahre. Mehr konnte man mir für diese Stadt nicht anbieten. Aber auch das ist anders. Während ich mich in meiner Heimat und dem Ort in dem ich meinem Beruf nach ging niemals wohl oder heimisch gefühlt hatte, habe ich hier das Gefühl aufgehoben zu sein.

Klar, ich hätte auch auf Dauer nach München gehen können, oder nach Essen, Hannover, Hamburg, Duisburg,… fast ganz Deutschland stand zur Wahl. Aber als ich hier her zog konnte ich nicht ahnen, dass ich meine Wurzeln so tief in die Erde dieser Stadt würde sprießen lassen. Im Studium war mir das noch zu bindend, jetzt mache ich es gern. Ich will zu Hause sein. Auch meine ursprüngliche Heimat löst inzwischen dieses Gefühl in mi raus. Vielleicht liegt es doch am älter werden. Man fliegt als Samen durch den Wind und lässt sich nieder, wenn es Zeit zum Keimen wird, so wie der Löwenzahn.

Bei all diesen Gedanken überrascht mich insbesondere einer: Der Ernst des Lebens, der mich früher mehr erschreckte, als erfreute – sofern es ihn gibt – er schrickt mich nicht mehr.